april_3.jpgFast den gesamten April konnte ich mal wieder auf dem Kontinent weiter im Süden verbringen, der mit dem Buchstaben A anfängt und mit A aufhört. Gemeinsam mit Anke Kirchhof besuchte ich die Wohngruppe Vizazi in Nairobi.Im Grunde ist alles recht ähnlich wie in einer „richtigen“ Familie, denn das wollen wir ja auch: Für die ehemaligen Straßenkinder und verwaisten Jugendlichen ein zuhause schaffen! Besonders den Menschen zu helfen, die durch ihre Lebensumstände in lebensunwürdige Zustände geraten sind. Das Leben im Vizazihaus ermöglicht auch wieder einen regelmäßigen Schulbesuch, mit der Möglichkeit, später einen Beruf zu erlernen. Dies eröffnet dann auch die Perspektive auf ein eigenständiges Leben. Vizazi möchte LEBEN wieder ermöglichen und ein „Leuchtfeuer der Hoffnung“ setzen, so wie es unser kenianischer Leiter Mungai vor Ort ausdrückt.

Für uns aber auch immer wieder ein Mitleben und Miterleben von vergangenem.

So hat jeder der zurzeit 4 Jugendlichen in der Vizazifamilie seine ganz eigene Geschichte. In diesem Bericht möchte ich euch von Evans erzählen, der erst seit 2 Monaten mit im Vizazihaus lebt.

Evans Mwangi, geboren am 9.Oktober 1993 (seine Großmutter hat seinapril_2.jpgGeburtsdatum vergessen), ist sich sicher, dass es der 9.Oktober war. Obwohl er seinen Geburtstag noch nie gefeiert hat. Geboren und aufgewachsen ist Evans in Nairobi / Kibera. Für uns klingt „Kibera“ vielleicht wie ein Vorort oder Stadtteil von Nairobi. Aber hinter dem Wort Kibera verbirgt sich der größte Slum Afrikas. „Slum“ kommt aus dem englischen und heißt Elendsviertel. Der Name Kibera leitet sich ab von „kibra“, was soviel wie Wald oder Dschungel bedeutet. In Kibera leben derzeit eine Million Menschen auf engstem Raum. Die Verschmutzung durch Abfälle, Abwässer und Fäkalien ist enorm hoch, dementsprechend auch die dadurch verursachte Krankheitsrate. Ein Slum ist eine Art eigene Stadt in einer Stadt mit eigenen Gesetzen und Regeln, die Menschen versuchen sich so gut es geht zu organisieren und mit dem wenigem was sie haben eine kleine Unterkunft zu bauen. Schauen wir von oben in das Tal Kibera, haben wir den Eindruck auf ein Meer von Wellblechdächern zu blicken. Die Perspektive ändert sich im Slum. Hier sind die Hütten dicht aneinander gebaut. Müll dient als wertvolles Baumaterial. In einer dieser unzähligen Hütten ist Evans aufgewachsen. Seine Mutter gab ihn direkt nach der Geburt bei seiner Großmutter ab und verschwand um sich irgendwo anders ein besseres leben zu suchen. Viele Jahre später erfuhr Evans das seine Mutter an AIDS gestorben war. Er hat seine Eltern nie kennen gelernt denn auch sein Vater starb früh. Evans erzählt, dass seine Großmutter immer für ihn gesorgt hat. Wenn das Geld reichte, konnte er sogar die Schule in Kibera besuchen, aber die Schule dort war überfüllt mit 1000 Schülern, kaputten Tischen und Stühlen und in einer Klasse waren über 50 Kinder. Am schlimmsten war es für ihn, wenn seine Großmutter krank war und er Angst hatte sie würde sterben. Er erinnert sich, dass er dann Tage an ihrem Bett saß, und manchmal zu verzweifelt war noch zu denken. Vor einem Jahr entschied sich Evans eine bessere Schule zu suchen außerhalb der „Slumwelt“. So kam er zur Madaraka Primary School. Dort lernte er Paul, Michael und Milton kennen, die ihm aus ihrem Leben im Vizazihaus erzählten. Evans war begeistert! Wagte aber nicht zu hoffen, dass dies für ihn auch eine Alternative sei. Nach Gesprächen mit Mungai, der Direktorin und seiner Großmutter wurde der Traum war. Evans strahlt als er erzählt wie er vor zwei Monaten das erste Mal mit Herzklopfen das Vizazihaus betrat. Inzwischen hat er sich gut eingelebt und fühlt sich als Teil der Vizazifamilie. Auf die Frage, was er besonders positiv empfindet in seiner neuen Lebenssituation, antwortet er ganz spontan: „Die Freiheit und in Frieden in einem Haus zu leben, Brüder zu haben, sich nicht fragen zu müssen, was esse ich heute … und eine Toilette …

april_1.jpgWir hatten auch die Möglichkeit die Großmutter von Evans im Slum zu besuchen. Sie ist sehr glücklich über die neue Lebenssituation ihres Enkels. Wir konnten ihr auch zum Ausdruck bringen, dass es uns wichtig ist mit ihr in gutem Kontakt zu bleiben. Mit einer mitgebrachten Lebensmittelspende im Wert von umgerechnet 9 €, kann sie einem Monat leben. Sie konnte die Kiste mit den Dingen wie Reis, Tee, Mais, Mehl und vieles mehr, gar nicht zu ende auspacken. So sehr freute sie sich und Tränen flossen über ihr Gesicht. Sie hatte auch noch nie „Weiße“ aus der Nähe gesehen, geschweige denn angefasst und zum Abschied umarmten wir uns herzlich.

Die Zeit in Kenya war wieder sehr eindrücklich und es ist gut zu sehen wie die Arbeit von Vizazi wächst. In den letzten Tagen sagte jemand zu mir, das wäre doch alles nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein, wenn man das Elend in der Welt betrachtet. Aber ich sehe es aus einem anderen Blickwinkel, denn es geht um Leben, um Menschen ganz persönlich. Zwei Jugendliche in der Vizazifamilie kommen aus Kibera, zwei von einer Million aus dem größten Slum Afrikas. Hier bekommt die Jahreslosung noch einmal eine ganz andere Bedeutung:

Jesus Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben. Joh.14, 19

Ulla Rappen

/p