Soziales Jahr: Moritz Fischer (19) berichtet aus Kenias Hauptstadt

Seit vier Monaten lebe ich jetzt hier in Nairobi als erster Volontär bei dem deutsch-kenianischen Straßenkinder-Hilfsprojekt „Vizazi“, das von dem Solinger Ehepaar Ulla und Dieter Rappen geleitet wird. Mit Spenden aus Solingen und ganz Deutschland wird ein Haus in Nairobi finanziert, in dem ich im Rahmen meines Freiwilligen Sozialen Jahres mit derzeit vier ehemaligen Straßenjungen zwischen 13 und 16 Jahren und einem Betreuer wohne. Wir leben in Nairobi South C, einem von Indern und Schwarzafrikanern bewohnten Mittelklasse-Viertel.

Als am 30. Dezember nach den Wahlen zwischen Präsident Mwai Kibaki und Herausforderer Raila Odinga die Unruhen begannen, haben wir die ersten Wochen vorsichtshalber zu Hause verbracht und das Gebäude nur verlassen, um im kleinen Laden um die Ecke, Milch und Brot zu kaufen. Auf jeden Fall war die Langeweile die Sicherheit wert. Das war vor allen Dingen für einen der Jungen wichtig, weil er den Kikuyu – einer Minderheit in Kenia – angehört.

In unserem Viertel blieb es die ganze Zeit über glücklicherweise relativ ruhig. Auch die Geschäfte waren nur für zwei Tage geschlossen. Das ah in den Slums, nur einige Straßen weiter, ganz anders aus. Da wurden die Lebensmittel knapp. Auch wir haben vorsichtshalber einen Vorrat an Lebensmitteln angelegt. Auch wenn die Lage ganz langsam wieder „back to normal“ ist, ist immer noch ungewöhnlich Polizei unterwegs.
momo_januar_2008Für mich waren die Ereignisse jedenfalls ein eindrucksvolles Erlebnis. Für die ehemaligen Straßenjungs in dieser Situation da sein zu müssen, das hat verbunden. Schrecklich natürlich, dass landesweit mittlerweile 1000 Menschen ums Leben kamen, dass 300 000 Menschen auf der Flucht sind. Zum Glück wurde aus meinem Bekanntenkreis niemand verletzt. Unserer Waschfrau Veronica wurde aber das Haus abgebrannt. Wie viele andere Menschen, die in den Slums obdachlos wurden, lebt sie jetzt bei Nachbarn.

Im Stadtteil ist er der weiße „Mr. Momo“
Aber auch sonst hinterlässt die Arbeit hier viele Eindrücke – etwa meine Hautfarbe in einer Gegend, in der kaum Weiße leben und in die es auch nur selten Touristen verschlägt. Zwar bin ich im Kollegium der Madaraka Primary School, wo ich als Hilfslehrer arbeite als „Mr. Momo“ voll akzeptiert. Aber für die jüngeren Schüler war ich nfangs der „Mzungu“ (Kisuaheli: Weißer) nd habe viel mehr Aufmerksamkeit genossen, als mir lieb war. Schön war, dasss ich es schnell geschafft habe, mich vom „Weißen“ zu einem Freund zu verwandeln. Und auch auf dem Massai-Markt haben die Kunsthändler, nachdem ich ihnen erklärt hatte, dass ich als Volontär auch nach kenianischen Maßstäben kein königliches Gehalt beziehe, aufgehört zu versuchen, mir geschnitzte Masken zu verkaufen.
(Solinger Tageblatt – Samstag, 19.01.2008)